Und da geht schon wieder ein Wochenende dahin. War es denn überhaupt eines? Gut, es war ein Ausflug. Wandlung in eine Superfrau im Mäuschenkostüm, den Blick in die Zukunft gewendet. Große staunende Augen, ohne Wörterbuch, dafür mit einem Lachen.
In den letzten Tagen hieß es, einen Blick in die Berufswelt werfen oder besser gesagt, in einen Arbeitsbereich. Und das in der Schweiz und in den Bergen Frankreichs. Ein paar wundervolle Konzerte genossen, Prestige-Kinder in ihrer Marsmännchentasse beobachtet, den Kopf mit Informationen gefüllt. Die allgemeine Frage "Wie geht es wohl in vier Wochen weiter?" schwebte über diesem Trip und wurde zudem von jedem gestellt. Dazu gesellten sich "Werde ich das können?" und "Wie war nochmal sein/ihr Name?"... Es war wie als Kind, als man am Erwachsenentisch saß, Kuchen mampfte, dabei wurden die Wangen rosig und es kam ein Staunen über die Großen und ihren Redeschwall auf. Man wünschte sich einen Spielkameraden, da die Ohren viel hörten, aber nichts verstanden. Und jetzt, wo das Studium vorbei ist, stellt sich natürlich die Frage: So, und wie kann ich jetzt all mein Wissen an einen Unbekannten weiterleiten? ...
Jedoch am Freitag, an einem Pausentag, kutschierte ich mit dem Auto durch die Gegend. Ich fühle mich oftmals von Bergen eingeschüchtert und wenn dann auch noch ein Kurhotel hervorragt, reisen meine Gedanken ins Zeitalter des "Zauberberg" von Thomas Mann. Dann erwarte ich das Dampfen eines Zuges zu hören und Frauen, die weiße Regenschirme auf ihren Schultern hin-und herdrehen. Oder Goethe, der um die Ecke spaziert kommt und mir einen Vortrag über die Schönheit der Landschaft hält und dabei seine romantische Ader auslacht. Doch stieß ich "nur" auf Käse, kleine Ortschaften, Wein, Schokolade, abgelegene Pfade, vereinsamte Burgen. Irgendwann sollte ich eine Tour durch dieses Land und Urlaub auf einem Nektarhügel machen! Ein paar Bücher und Energie für die Traubenernte. Bei dieser Fahrt traf ich zudem auf einen jungen begeisterten Weinhändler, der so seine eigenen geografischen Grenzen setzte (Champagne, Beaujolais). Jaja, wenn nur der rote Saft einer Traube der Menschheit ein anerkanntes Zuhause geben könnte!
Und nun beginnt die Woche in Strasbourg. Gestern streifte ich durch die Stadt, die kleinen verwinkelten Gassen der Petite France, versuchte ein paar Fotos, deren Vielzahl mir jedoch die Sonne verweigerte (da sollte wohl mal wieder jemand ins Fitnessstudio gehen) und dachte bei mir, dass diese sechs Monate so arbeitsintensiv waren, dass das Leben einer Stadt an mir vorbeigezogen ist. Kann man das alles in den letzten vier Wochen aufholen? Ist mir das "wahre" Strasbourg vorenthalten geblieben? Man sollte wirklich kein Ackergaul werden...
Ich möchte zum Schluss anmerken, dass der Blog in ein paar Wochen auf einer neugestalteten Seite seine Fortsetzung finden wird und ich mich freuen würde, wenn ihr mitkämt:
"Die wahren Pariser sind eindeutig die Tauben." Mit dieser Bemerkung endet ein wahrhaftig pariserisches Wochenende, bei dem wir ausschöpften, was die Stadt zu bieten hat und was unser Herz zum Hüpfen bringt.
Freitagabend ging es in die Opéra de Paris, um sich von "La Travaiata" einnehmen zu lassen. Was schmachtend und tänzelnd anfing, endete in einem Drama aus Tränen im Nachtkleidchen. Arme Violetta. Da hat sie bis zum Ende auf ihre Liebe, Alfredo, gewartet. Doch als der Kerl endlich auftaucht, stirbt sie in seinen Armen. Die herrisch italienische Mutter wurde durch einen Père ersetzt, der mehr auf Ehre als Kochkünste hielt. Eine Oper, die mich wirklich in ihren Bann zog, deren Musik mir stundenlang durch den Kopf violinierte und dessen Ausgang, zwar einen Hauch kitischig, wenn doch rührend war. Im Schwingschritt ging es nach Hause, an der Seine entlang, sich auf zwei Tage mit amusements gefreut, um dann in die Kissen zu sinken.
Die Sonne weckte uns am nächsten Tag gegen Mittag, der Körper erholt sich von "was weiß ich". Nach einer guten Dosis Tee ging es hinaus, vorbei an der Ecole des Beaux-Arts, in der die Modenschauen der Fashion Week stattfanden. Der Louvre wurde teilweise gesperrt, da auch dort Laufstege aufgebaut wurden. Zur Zeit dieses großen modischen Ereignisses, erlauben sich die Mesdames und Mesmoiselles kleidertechnisch alles. Überall werden exzentrische Schuhe mit knalligen Kleidern gemischt, dazu ein Hauch Lippenstift und Rouge und jedes Gesicht versucht ein "je ne sais quoi" auszustrahlen. Währenddessen erlaubt sich Vogue eine Frage aufzugreifen, die jedes Jahr im Herbst gestellt wird: Es geht um die Vorlieben, modisch, kulinarisch, litterarisch, kulturell der Pariserin. Dabei muss sie natürlich mit Adjektiven wie très chic angemalt werden. Dabei hat es Tucholsky schon ganz gut getroffen:
Und ich erzählte ihr, daß die Französinnen sehr vernünftige Wesen seien,
mit einer leichten Neigung zu Kapricen, die seien aber vorher
einkalkuliert, und sie hätten pro Stück meist nur einen Mann, den Mann,
ihren Mann, der auch ein Freund sein kann, natürlich – und dazu
vielleicht auch anstandshalber einen Geliebten, und wenn sie untreu
seien, dann seien sie es mit leichtsinnigem Bedacht. Beinah jede zweite
Frau aber hätte einen Beruf. Und sie regierten das Land ohne Stimmrecht –
aber eben nicht mit den Beinen, sondern durch ihre Vernunft. Und sie
seien liebenswürdige Mathematik und hätten ein vernünftiges Herz, das
manchmal mit ihnen durchginge, doch pfiffen sie es immer wieder zurück.
Ich verstände sie nicht ganz.
(K. Tucholksy, Schloss Gripsholm, 1931)
Und gleichzeitig sollten wir uns fragen, wozu wir diese ständigen Definitionen brauchen? Die Mode stellt einmal pro Monat eine Farbe vor, die unbedingt getragen werden muss. Im Moment scheinen es kaki und rot zu sein. Zudem gibt es zehn Bücher, die auch unbedingt gelesen werden müssen.. Ausstellungen, die jeder unbedingt sehen sollte.. Inwieweit können wir uns da noch zurecht finden und herausfinden, was wir wirklich wollen?
So zum Beispiel die Ausstellung zu Marcel Duchamp im Centre Pompidou, die wir am Samstag sahen. Wir wunderten uns über die geringe Besucherzahl am ersten Wochenende und mussten feststellen, dass kaum ein Magazin sie als "unbedingt sehen" qualifizierte. Dabei war sie durchaus interessant! Wir nahmen an einer Führung teil, die zwar den künstlerischen Aspekt Duchamps durchaus präzise vorstellte, jedoch keine biografischen Inhalte erläuterte. Mir stellte sich also die Frage: Warum versucht jemand das Unsichtbare sichtbar zu machen? Warum ist jemand so sehr vom weiblichen Körper fasziniert?
Was sollen diese ganzen Themen zur Heirat, Ehe, dem Körper? Wie hat dieser Mensch wohl gelebt? Welche Enttäuschungen hat er wohl erleben müssen? Was hat ihn zum Lachen gebracht? Denselben Gedanken hatte ich schon im letzten Jahr nach der Ausstellung der Werke Frida Kahlos. Nach der Besichtigung stürzte ich mich ins Lesen ihrer Briefkorrespondenzen, um den Versuch eines Eintauchens in ihr Wesensding zu machen. Marcel Duchamp scheint da wohl der Nächste zu sein. Gleichzeitig erinnert mich das Verhalten an eine Figur aus "Amerikanische Idyille" von P. Roth, die in ihrer Jugendzeit sich momentanhaft immer anderen Persönlichkeiten widmete, um sie zu analysieren.
Nach der Ausstellung baladierte ich noch eine Weile bei meinem Lieblings-Gepetto und ließ mich vom feinen Ledergeruch bezaubern. Jedoch ist es keine gute Idee an einem Samstagnachmittag sich einem solchen Interesse hinzugeben... schließlich wird der von sehr sehr vielen Touristinnen und Einwohnerinnen geteilt. Mit der Vogue unter dem Arm zogen wir daraufhin in den Jardin des Tuileries, um den sonnigen Ausklang des Tages einzufangen. Herrlich diese Herbstfarben und dazu eine knallige runde Kugel am Himmel. Kein Lufthauch wagte es sich da einzumischen und der graue Schleier auf den hausmann'schen Gebäuden hielt sich ebenso zurück. Kaum zu glauben, dass es in fünf Wochen endlich wieder nach Hause geht und Straßburg in der Erfahrungskiste Platz finden wird. Aber es wird Zeit. Zurückzukehren. Die Stadt wieder voll auszukosten.
Der Sonntag war hingegen klassisch. Brunch, Jardin de Luxembourg, Tee im Salon de thé der Mosquée. Die Süße des Pfefferminztees ist immer noch auf den Lippen zu schmecken. Könnte es nicht Lippenpflege mit demselben Geschmack geben? Der Salon war richtig überfüllt, die Gäste klapperten mit ihren Kuchenlöffeln und die Spatzen schauten gierig auf die Kekskrümel die von den Tellern fielen. In einer Ecke saßen wir und schauten uns diesen Tumult an. Wie oft suchte ich schon diesen Ort auf, um mich vom zuckrigen Tee umarmen zu lassen. Da schlägt die Herzpumpe immer gleich im Zentakt und hört den Redewellen der Leute zu. Erstaunlicherweise verleitet mich das nie zu einer plapprigen Stunde. Es ist auch nicht so, als würde mich dieser Wörterlärm einschüchtern.. Es ist eine eigenartige Beruhigung, anderen beim Schnattern und Lachen zuzusehen. Zu lauschen. Und sich dabei von den vielen farbigen Kacheln umringt zu fühlen. Genauso ist es auch bei Finkelstein, wenn ich dort zu Pfefferminztee und Käsekuchen einkehre. Dann sitze ich in einer Ecke und schaue den lüsternden Augen der Kunden zu. Die Frauen sind geschäftig, verhandeln, verpacken und Herr Finkelstein sitzt an seiner Kasse und schmunzelt, tippt, zählt und macht kleine Scherze, auf die seine Frau sofort reagiert, bevor die junge, vorzugsweise weibliche, Kundin reagieren kann. Schachmatt. Er seufzt und macht weiter.
Es gibt so viel über diese Stadt zu sagen. So viele Orte, die zu
Plapprigkeit, Schwung, Tanzen, Staunen, Lächeln, Ruhe etc. einladen.
"Fly me to the moon" sang vorhin ein sehr charmanter Sänger in Saint
Germain de Près.. Würde ich gerne, doch nur wenn ich Paris mitnehmen
kann.
Wie die
Hauptfigur in Sagan’s „Bonjour Tristesse“ möchte ich einmal am frühen Morgen
mit einem heißen Kaffee und einer saftigen Orangenhälfte auf den Stufen einer
Veranda sitzen und dabei den frischen Morgen in den Ohren summen hören. Klar,
ich würde den Kaffee gegen Tee austauschen, jedoch… Jedoch scheint dies ein
Szenario zu sein, das mich seit meiner ersten Lektüre des Buches verfolgt.
Jedes Mal wenn wir in den Süden fahren,
nehme ich mir vor zeitig aufzustehen. Vor allen anderen. Doch scheinen morgendliche
Hummeln in deren Zimmer zu fliegen und sie an der Nase aus dem Bett zu ziehen,
während ich deine Schulter suche, um auf ihr zu Ende zu träumen. Still war es
heute. Versunken in ein Buch, bemerkte ich erst deine kalte Nase auf meinem
warmen Zinken, wie er meine Nähe suchte. Säuselnd von einem Herbstausflug
sprach, während ich die Zehen hin-und her drehte und ein Gefühl des
vollkommenen Augenblicks hatte. Sonne um mich herum, gemischt von deinen
Liebesworten, die nach Zukunft und Abenteuer riefen und der Wind, der kleine
Eidechsen auf der Terrasse voran schob. Du machst etwas möglich, dass ich
manchmal für Kitsch halte. Dabei muss es doch nicht erst kompliziert ablaufen,
bevor man sich fallen lassen kann.
Wenn du da bist, verwandle ich mich in eine
schnurrende Katze, eine gurrende Taube. Es ist schön, wenn du da bist. Wenn wir
sind. Zusammen. Ich begreife nicht, woher all diese Gefühle für mich kommen.
Bin immer noch überwältigt, in welcher Raketengeschwindigkeit alles gegangen
ist. Du wolltest es einfach; ich musste erst ein wenig an uns herumwerkeln, dem
Ganzen Kanten verschaffen. Dabei wolltest du nur ein Dich und Mich. Und du
willst es immer noch. Und ich merke, dass sich dieser Gedanke immer mehr,
unbewusst, in die Speicherkarte meines Fotoapparates, meine Post eingeschlichen
hat. Warum also diese Angst? Diese Panik, alles könne vorbei sein? Weil man
sich dann mehr Mühe gibt? Aber, das müssen wir ja gar nicht. Es braucht keinen
Nagellack, frisch gebügelte Hemden und einen guten Wein. Wir kichern bei „La Chèvre“,
wir teilen uns eine Tasse Tee, wir animieren das Chaos des Anderen. Vor drei
Stunden hast du mir wieder einmal mitgeteilt, was dir unser Dich und Mich
bedeutet. Dabei siehst du mich an, als könntest du nicht an meine
Standhaftigkeit glauben, sondern hättest Bedenken gegenüber meinem
Sprunghaftsein. Und ich sehe dich an und mir fällt das Atmen schwer. Bitte baue
kein Schloss in der Dimension des Himalayas, bitte lass es auf uns zukommen,
bitte stelle mir keine Ultimaten. Komm noch einmal mit deiner Nase nah an die
Meine, damit wir dieses eigene Gefühl wieder aufleben lassen. Es sprach „Dich
und Mich“.