Die letzten sieben Tage
wurden wie eine Seifenblase größer und größer; doch, anstatt zu
zerplatzen, zerknallte sie in Freudentänze.
Paris hatte mich also
wieder. Wie herrlich bei all dem Sonnenschein und dem Duft frischen
Obstes durch Saint-Germain-des-Près zu laufen und den Alltag zu
verleben. Er bestand zwar überwiegend aus auspacken, Wäsche waschen
und Bücher in die Nase stecken, war aber gleichzeitig wunderbar
pariserisch. Café mit Freunden, Métro, kleine Zwistigkeiten mit
einer Kassiererin und die musternden Blicke der Frauen in den
Straßen.
Es ist Frühling und
trotzdem gibt es diese modische Tendenz des Schwarzen. Warum? Weil
man sich dadurch erst recht von den wunderbaren, herrlichen Farben
dieser Jahreszeit abhebt oder weil dies nur Menschen tun, die wissen,
das Regen bevorsteht. Persönlich liebe ich bunte Kleidung und, auch
wenn diese farbliche Nüchternheit mich immer mehr einnimmt, kann ich
es mir nur selten verbieten etwas helles, munteres zu tragen. Eine
gelbe Strickmütze zur Jeans und dem schwarzen Blazer; meine grüne
Ledertasche, die mich überall hin begleitet etc. Um den magischen
Augenblick des printemps zu feiern, wollte ich einen Hausputz in den
Sommersachen veranstalten und die Winterkleidung auf den Schrank
räumen. Ich kann sie nicht mehr ertragen, die Pullover, Strickschals
und dicken Jacken. Doch, als hätte Meister Oberwolke es geahnt,
schickt er seitdem mieses Wetter herunter. Meister Mies sozusagen.
Kennt ihr das Gefühl,
eine gute Musik auf den Ohren zu haben und damit das Haus zu
verlassen? Ihr macht die Tür hinter euch zu; betretet die Straße
und fühlt euch vollkommen von der Melodie oder dem Text angetrieben.
Nicht als wäre es eine Hintergrundmusik; aber als durchströmte sie
euren Körper und würde eure Gesten gestalten. So einen Schwung
hatte ich hin- und wieder diese Woche und finde es immer wieder
fabelhaft, so eingenommen zu werden. Es ist nicht nur wie Musik in
der Métro hören und dabei hundert Gesichter vorbeiziehen zu sehen.
Es ist so, als stände sie hinter mir, genau im Rücken und ziehe die
Fäden. Ein zauberhaftes Gefühl!
Seit Berlin habe ich
allerdings den Drang des Reisens, des Taschenpackens und mich in
irgendeinen Zug zusetzen. Deswegen geht es diesen Mittwoch, dank des
langen Wochenendes hinaus aus der Stadt. Normalerweise werde ich bei
solchen Anlass immer ganz nervös und unruhig. Dieses Mal war es
sogar meine Idee. Aber es ist gut; es ist die Vorbereitung auf das
kommende Ereignis: Strasbourg. In zwei Wochen ein zeitbegrenzter
Wohnortswechsel. Paris dann nur am Wochenende. Dieser Gedanke sollte
mich einnehmen und aus der Bahn werfen. Nur trifft allein ersteres
zu. Dabei kam alles ziemlich plötzlich und jetzt heißt es auf
einmal : „Tritt aufs Gas junge Dame!“. In eine Stadt zu ziehen
von der ich kein Bild und die ich mir nicht aufgrund ihrer
'Schönheit' oder sonstigem ausgesucht habe, ist leicht irritierend,
doch ein Projekt, auf dass ich mich einlasse.
Ansonsten? Theater gab es
diese Woche. Der „Tartuffe“ von Molière, inszeniert von Luc
Bondy im Atelier Berthier. Nun, es hatte seine witzigen Momente, aber
es schien nicht authentisch. Zu viel. Zu übertrieben. Ja fast zu
angeberisch. Zu schnell. Was soll nur diese Angewohnheit Texte in
Raketengeschwindigkeit herunter zu erzählen? Du meine Güte, niemand
kann sich noch nach 30 Minuten konzentrieren, da das angespannte
Zuhören irgendwann in „Faden verloren“ übergeht. Das Stück war
gut inszeniert, keine Frage. Doch schien es so oberflächlich
hinübergebracht.
Oberflächlich kann man zu
„Tristan und Isolde“ in der Opéra Bastille allerdings nicht
sagen. Fünf Stunden Dramatik, tragische Zugeständnisse und dazu
Videos vom Künstler Bill Viola. Fräulein Nörgeltante sagt: Nein!
Es war zu viel! Auf wen sollte man sich denn da konzentrieren? Auf
die zwei Personen, die sich auf der Leinwand auszogen, ins Wasser
sprangen, Kerzen anzündeten, küssten, weinten, durch den Wald
liefen – oder auf die zwei Sänger, die sich gegen Orchester und
Video durchsetzen mussten. Ja, eine Beziehung zwischen den Bildern
und der Inszenierung bestand, keine Frage. Aber auch hier wurde zu
viel erwartet. Entweder konzentriere ich mich auf Gesang, Darstellung
und Untertitel oder auf die Videoprojektion. Beides zusammen ließ
sich nur sehr schwer vereinen. Um mich herum hatte jeder
Schwierigkeiten die Aktion auf der Bühne zu verfolgen.Und dies war
schade. Denn, auch wenn Wagners Kompositionen und ich wohl nie
Freunde werden, war ich gespannt auf die Darbietung. Nach dem ganzen
Ring der letzten Saison wollte ich Richard eine zweite Chance geben.
Wirklich. Ehrlich. Aber, es geht nicht. Ich muss es einsehen. Das ist
mir zu viel aufgeputschte Tragik. War Wagner ein Romantiker? Ich
frage mich seit Tagen, ob jener Menschenschlag in heiklen Situationen
zu überstrapazierender Dramatik wird. Ein Romantiker, transformiert
er sich zu einem weinenden, stark gestikulierenden, auf die Knie
fallenden, große Worte benutzenden Dramatiker?
Zum Glück gab es am
Wochenende Zeit für Bücher, ausschlafen, Kuchenbacken und Wein. Der
Regen verpflichtete zum Hausarbeiten schreiben und war optimal noch
einmal die dicken Socken und Winterpullover anzuprobieren. Und selbst
wenn es heute schon den ganzen Tag vom Himmel gießt, lasse ich mir
trotzdem nicht die Frühlingslaune nehmen. Dann öffne ich einfach
meine Teedose von Kusmi mit dem BB Detox - Tee und die ganze Wohnung wird
von sonnigem Duft erfüllt.
Schöne Woche euch allen!